Der Traum von der Filiale in Asien trifft auf die Realität. Ein Unternehmenstod in Singapur
Immer wieder treffen wir auf denselben Sachverhalt. Der Geschäftsführer eines deutschen/österreichischen/schweizer Unternehmens kündigt an, daß das Tochterunternehmen geschlossen wird. Dessen Aktivitäten führt ein lokales Unternehmen als Kooperationspartner fort. Der Geschäftsführer zieht aus Singapur zurück nach Europa. Üblicherweise war er dann 3 Jahre in Singapur. Für uns europäische „Oldtimer“ war ein solches Schicksal oft vorhersehbar.
So hat alles begonnen
Es fing im Jahr 2010 an. Der Inhaber eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmens, das wir gedanklich in Villingen-Schwenningen ansiedeln, hat zufällig einen Zwischenstop in Singapur, auf dem Weg nach Australien oder Bali. Eigentlich wollte er die gute Gelegenheit nutzen, um ein Bankkonto zu eröffnen, auf dem er seine (legal erworbenen und ordnungsgemäß versteuerten) Ersparnisse von seinem Schweizer Bankkonto parken möchte. Er erfährt, daß das alles nicht so einfach ist, siehe HIER, worauf er von seinem Vorhaben wieder lässt.
Der Unternehmer erkennt bei seinem Aufenthalt aber, daß Süd-Ost-Asien eine derjenigen Regionen der Welt ist, die in den nächsten Jahren ein deutliches Wachstum erfahren wird. Unser Unternehmer sieht eine Chance für die von ihm hergestellten Spezialkühlgeräte für die Großgastronomie und den Lebensmittelgroßhandel. Bei einem Jahresumsatz von 100 Mio Euro mit nur 100 Mitarbeitern in Deutschland, aufgebaut mit einem Startkapital von 50,000 DM im Jahr 1978, kann es doch nicht so schwer sein, sich nach Asien auszubreiten, oder? Die Basis dafür sollen seine Ersparnisse in der Schweiz bilden.
Und so geht die Geschichte weiter. Der unserem Unternehmer persönlich bekannte Präsident der Handelskammer in Stuttgart stellt telefonisch einen Kontakt zur Singapore-German Chamber of Commerce her, wo man ihn freundlich und auf Deutsch empfängt. Ihm wird für einen sehr guten Preis eine individuelle Marktstudie für Süd-Ost-Asien angefertigt. Damit kann nichts mehr schiefgehen.
Selbst will unser Unternehmer dieses Unterfangen aber nicht durchführen. Wieder zuhause in Villingen-Schwenningen versucht unser Unternehmer, seine Geschäftsidee seinem agilen Vertriebsleiter zu verkaufen. Der findet die Idee sehr gut, denn er rechnet sich zahlreiche Chancen für sich aus. Er wollte ohnehin einmal im Leben im Ausland gearbeitet haben, und dann kann es gleich Singapur sein! Diese Aufgabe wird er also selber übernehmen und nicht etwa einem seiner Mitarbeiter übertragen. Seine Frau ist zögerlich, sie ist nicht begeistert: wer kümmert sich denn in dieser Zeit um das Haus in Deutschland? Unser Unternehmer und der Verkaufsleiter hecken also einen Plan aus.
Der Vertriebsleiter und seine Frau verbringen also eine Urlaubswoche auf Firmenkosten in Singapur. In dieser Zeit freundet sich die Frau mit dem Gedanken des Umzugs an, natürlich nur auf Zeit. Und erst muß ja alles sorgfältig vorbereitet werden.
Im Jahr vor der Firmengründung verbringen unser Unternehmer und sein Verkaufsleiter insgesamt sechs Wochen in Singapur. Sie sondieren den Markt und sie sprechen mit anderen Deutschen vor Ort, die sich gerne im z.B. im German Center ansiedeln. Nach und nach wächst der Businessplan und die Vorfreude.
Für den Vertriebsleiter ist ein Büro im German Center ungünstig, denn es liegt eine halbe Stunde vom Wohnort entfernt in einem Industriegebiet. Er hätte lieber ein kleines Büro im Bukit Tima Distrikt, dort wo er mit seiner Frau und den beiden Kindern auch wohnen will. Schließlich werden alle von ihm verkauften Anlagen individuell und nach Maß in Deutschland angefertigt. Er braucht weder Lager noch Werkstatt, denn die seltenen Wartungs- und Reparaturarbeiten werden ohnehin beim Kunden erbracht.
Für Marktstudie, Reisekosten usw. wurden bisher etwa 45,000 EUR verwendet. Hinzu kommen versteckte Kosten, etwa für den Steuerberater, aber auch Opportunitätskosten für die Minderleistung durch die lange Abwesenheit des Unternehmers und seines Verkaufsleiters. Die wahren bisherigen Gesamtkosten bewegen sich somit eher in der Größenordnung von 80,000 EUR. Aber gut, ohne Investitionen bekommt man auch kein neues Geschäft.
Es geht los!
Die Entscheidung ist gefallen: „Wir schaffen das“!
Der grobe Plan für das erste Jahr in Singapur sieht wie folgt aus: nach dem Umzug des Verkaufsleiters und der Eröffnung des Büros in Singapur fliegt dieser in der Region herum und verkauft die Spezialkühlgeräte an Unternehmen der Großgastronomie und des Lebensmittelgroßhandels, wie in der Marktstudie angegeben wurde.
Die Kosten für das Unterfangen in 2011 werden ganz grob auf etwa 790,000 S$ geschätzt, in etwa 550,000 EUR. Das ist gar kein Problem, denn wenn der Verkaufsleiter auch nur eine einzige Anlage pro Monat verkauft, dann hat er nicht nur sein ohnehin anfallendes Gehalt sondern auch die anderen Kosten hereingespielt.
Es gibt laut Marktstudie so viele einschlägige Zielunternehmen in der Region, daß der Verkaufsleiter aus Deutschland alleine für das erste Jahr 150 Besuche bei potentiellen Neukunden einplanen kann. Da muß es doch zu Abschlüssen kommen, oder? Das Ganze ist ein absehbarer Erfolg, versichert man sich gegenseitig.
Umzug und erste Monate in Singapur!
Es ist der 1. August 2011, mitten in den deutschen Sommerferien. Der Container des Verkaufsleiters ist gepackt. Die neue Wohnstätte steht auch schon bereit. Sie wurde beim letzten Aufenthalt in Singapur völlig unkompliziert von einer Deutsch sprechenden Maklerin in der Nähe der deutschen Schule angemietet. Mietverträge laufen in Singapur üblicherweise 2 Jahre mit der Option auf Verlängerung um ein Jahr. Das passt genau mit dem Plan der Ehefrau zusammen, die sich 3 Jahre als maximale Zeit in Asien gesetzt hatte, allerdings es ohne dies ihrem enthusiastischen Ehemann zu verraten.
In ganz kurzer Zeit werden der Verkaufsleiter und unser Unternehmer ernüchtert. Vier mal im Jahr muß der Verkaufsleiter zurück nach Deutschland reisen, denn er wird dort gebraucht. Das führt nicht nur zu Mehrkosten für Flüge sondern auch zu Extra-Stress in der Region Asien, denn es fallen bei jeder Reise nach Deutschland etwa 10 Besuche bei potentiellen Kunden in Asien weg.
Mehrkosten ergeben sich auch im Hinblick auf das berufliche Unternehmen, denn die Maklerin schlägt sowohl beim Büro als auch bei der Privatwohnung mit einer Provision zu. Hinzu kommen die Kosten für den Ausbau des Büros, denn in Singapur werden Büros im Rohbauzustand übergeben. Oft zahlt man als Ausländer mehr als ein Inländer und ein paar tausend S$ mehr spielen am Anfang ja auch keine große Rolle.
Nächster Schock: das Auto ist unglaublich teuer. Kein Problem, zur Schonung der Liquidität wird einfach gemietet. Hinzu kommt ein Fahrer, denn dann kann mit einem einzigen Auto gleich die ganze Familie transportiert werden und dann braucht es auch keine Umstellung im Hinblick auf den Linksverkehr. Der Fahrer ist wiederum gar nicht teuer. Er erledigt auch kleinere Arbeiten als Hausdiener, etwa den Einkauf von schweren Dingen wie Trinkwasser. Praktisch.
Während der ersten beiden Monate in Singapur kümmert sich der Verkaufsleiter vor allem um die Dinge des täglichen Lebens, um einen Telefonanschluß zuhause und einen im Büro, um die Gründung des Unternehmens, um seine Arbeitserlaubnis, um die Aufenthaltserlaubnis für die Familie, etc. Er stellt sich eine Sekretärin an, weil er alleine die ganze Arbeit nicht mehr schafft. Außerdem wird ein Buchhalter benötigt, um das monatliche Reporting nach deutschem und singapurischem Standard zu erledigen. Der Container aus Deutschland kommt nach sechs Wochen an. Die Familie wird Mitglied im Schweizer Club, wo es auch einen Pool gibt an dem man sich am Wochenende mit den Kollegen aus anderen deutschsprachigen Unternehmen trifft. Die Familie muß wegen der Großeltern und dem Haus zweimal im Jahr nach Hause fliegen. Ein lokales Hausmädchen muß her, weil es nicht viel kostet und weil die anderen Frauen im Schweizer Club auch alle eins haben.
Nach einem Jahr, am 1. August 2012, sitzt der Vertriebsleiter auf einem ökonomischen Scherbenhaufen. Für offene und versteckte Kosten wurden statt der geplanten 790,000 S$ fast das Doppelte aufgewendet, nämlich etwa 1,5 Mio S$. Dem steht kein einziger Abschluß gegenüber. Zwar wird unser Verkaufsleiter überall freundlichst empfangen, doch niemand kauft ihm etwas ab.
Der Unternehmer ist noch ruhig. Die Ersparnisse aus der Schweiz wurden inzwischen auf das Firmenkonto in Singapur einbezahlt. Der Kontostand zeigt glücklicherweise nicht die erheblichen Opportunitätskosten für den in Deutschland geminderten Gewinn aufgrund eines Minderumsatzes durch Abwesenheit des Vertriebsleiter vom Mutterunternehmen an. Alles ist im grünen Bereich, wie ihm sein Steuerberater auch versichert. Allerdings sollten im zweiten Jahr nun endlich die ersten Verkäufe stattfinden.
Das zweite Jahr, das Tal der Tränen beginnt
Im zweiten Geschäftsjahr zieht der deutsche Verkaufsleiter die Konsequenzen daraus, daß er in Asien nichts verkaufen wird. Zwar reden die Leute gerne mit ihm, weil sie ihn mögen. Aber sie vertrauen ihm nicht vollständig, wie ihm ein potentieller Kunde in Indonesien abends beim Reiswein verraten hat. Nur lokalen Vertriebsmitarbeitern, die „cultural insider“ sind, können die lokalen Kunden unterbewußt vertrauen, und das ist die Voraussetzung für einen Abschluß. Unser Verkaufsleiter ist auch ständig verunsichert, wie die Sache mit den „Kommissionen“ für seine Gesprächspartner gehandhabt werden soll.
Somit wird ein lokaler Vertriebsmitarbeiter angestellt, der allerdings aus einer etwas anderen Branche kommt, weil man in der kurzen Zeit keinen besseren Vertriebler finden konnte. Außerdem wird ein Techniker angestellt, um die Maschinen an die lokalen Gegebenheiten anzupassen. Ohne Vorführgerät und kleine Werkstatt kann das Unternehmen nicht operieren. Die Werkstatt wird gleich noch als Lager mitbenutzt, so daß die Ausgaben dafür nicht ins Gewicht fallen. Unser Vertriebsleiter hatte die Wahl, die Werkstatt und das Lager entweder in Singapur aufzusetzen oder ins nahe Johor Bahru in Malaysia zu legen. Er entschied sich für Malaysia, weil dort die Kosten niedriger sind, was die Liquidität schont. In Deutschland merkt das niemand, denn das monatliche Reporting nach Deutschland funktioniert auch nach einem Jahr nur mittelmäßig. Unser Unternehmer mißt den Erfolg des Unternehmens in Asien alleine am dortigen Kontostand. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, daß die erheblichen Opportunitätskosten für den in Deutschland geminderten Gewinn aufgrund eines Minderumsatzes durch Abwesenheit des Vertriebsleiter vom Mutterunternehmen ausgeblendet werden.
Am Ende des zweiten Geschäftsjahres ist der Verkaufsleiter am Boden zerstört. Offene und versteckte Kosten in einer Gesamthöhe von 2,4 Mio S$ stehen gerade einmal 2 Abschlüssen gegenüber. Das Klassenziel wurde also grob verfehlt. Das „Projekt Asien“ ist nun zweifelhaft geworden und macht sich auch nicht gut im Lebenslauf. Zuhause feixen seine unmittelbaren Mitarbeiter schon über ihren Chef, einige rechnen sich sogar Chancen aus, sein Nachfolger zu werden, denn sie haben in der Zwischenzeit auch ohne ihn einige schöne Verkaufserfolge in Europa eingefahren.
Unser Unternehmer ist nun ebenfalls ernüchtert. Von seinem mühsam ersparten Geld ist fast nichts mehr übrig. Wenn es so weitergeht, dann muß er in vier Monaten monatlich Geld nach Singapur schicken, um die dortigen Kosten zu decken. So hat er sich das nicht vorgestellt.
Der Verkaufsleiter fasst sich ein Herz und redet eindringlich mit dem Unternehmer. Der Verkaufsleiter will sich wieder nach Deutschland wenden. Seine Frau will das ohnehin. Die beiden Kinder sind frustriert über die häufig wechselnden Klassenkameraden und über die mangelnde Abwechslung in Singapur, verglichen mit dem Leben der Schulfreunde in Deutschland.
Das dritte Jahr beginnt, und mit ihm die Katharsis
Der Absprung des in Deutschland so erfolgreichen Unternehmens aus Singapur wird vorbereitet.
Die Besuche bei Kunden macht der lokale Vertriebsmitarbeiter von nun an alleine. Die Familie soll am Ende des Schuljahresjahres nach Deutschland zurückziehen, damit die Kinder zum neuen Schuljahr dort wieder eingeschult werden können. Dem Techniker wird fristlos gekündigt, nachdem man festgestellt hat, daß im Lager in Malaysia ein erheblicher Schwund vorliegt. Angeblich wurde dort eingebrochen und man habe dies erst nach zwei Wochen bemerkt.
Die Sekretärin erkennt die Lage schnell, denn schon bei ihrem vorletzten Unternehmen hat sie dieselbe Situation erlebt. Sie kündigt überraschend zum Monatsende, sie geht zu einem anderen Unternehmen.
Der lokale Vertriebsmitarbeiter organisiert den Auszug aus dem Büro schließlich selbst, mit dem Rückbau aller dort vorgenommenen Einbauten, inklusive der Wände. Die gebrauchte aber immer noch sehr junge Klimaanlage aus dem Büro lässt er sich vom selben Bauunternehmer in seiner Privatwohnung einbauen, wo sie eine alte Klimaanlage ersetzt.
Die Gesamtkosten für das dritte Jahr sinken dadurch von 2,3 Mio S$ auf 1 Mio S$, wofür der Restbetrag der Ersparnisse auf dem Konto unseres Unternehmers gerade so ausreicht. Alle Finanzanlagen mußten dafür liquidiert werden.
Ende Juli 2014 ist dann endgültig Schluß. Der Vertriebmitarbeiter bleibt noch eine Zeit als freier Mitarbeiter angestellt, aber er wechselt wieder in seine ursprüngliche Branche zurück. Ein lokales Unternehmen aus der Kühlgerätebranche übernimmt den Vertrieb, bedingt sich aber 30% Kommission aus. Außerdem wird das Vorführgerät und die noch verbliebenen Teile und Werkzeuge aus dem Lager in Malaysia in das Eigentum des neuen Partnerunternehmens übergeben.
Die in Singapur verbliebenen Freunde des Vertriebsleiters löschen seine lokale Telefonnummer wieder aus ihren Handys. Die Abschiedsparty lässt der Vertriebsleiter ausfallen.
Das Verhältnis zwischen unserem Unternehmer und seinem Vertriebsleiter ist nachhaltig gestört, ebenso wie dasjenige mit seiner Ehefrau, denn seit es das Handy mit der Singapur-Nummer nicht mehr gibt, bewacht der Vertriebsleiter sein deutsches Handy wie ein Schießhund.
Die obige erzählte Geschichte ist ein Spiegelbild vieler Unternehmungen und Sie finden Sie hier in konkreten Zahlen ausgedrückt: typischer Fall 290315
Bitte beachten: die dort angegeben Zahlen waren im Jahr 2014 realistisch. Zum Zeitpunkt, in dem sie diese Geschichte lesen, kann das alles etwas anders aussehen. Zudem können Sie in Teilbereichen große Ersparnisse erzielen, wenn Sie geschickt vorgehen, beispielsweise als Untermieter in ein Service Office einziehen. Das große Bild bleibt dennoch bestehen. Wenn Sie als Mittelständler eine Unternehmensgründung in Asien auf konventionelle Weise angehen, dann müssen Sie einen langen Atem haben, um ein solches Unterfangen erfolgreich zu machen.
Und im nächsten Artikel zeigen wir Ihnen eine Alternative zu der oben angerissenen Vorgehensweise auf, bei der Sie erhebliche Kosten sparen können: „Der Traum von der Filiale in Asien wird wahr. Erfolgreiche Unternehmensgründung In Singapur“.